Hausarbeit gehört nicht dazu

Putzen ist Geil

// Alexandra Kienzl //
Es gibt viel Tolles, was frau mit ihrer Zeit anstellen kann. Hausarbeit gehört nicht dazu.
Ich liebe putzen, und nicht nur das. Ich verzehre mich geradezu danach, Spielsachen wegzuräumen, Böden zu schrubben, Wasserhähne zu polieren. Die Spülmaschine räume ich morgens schon aus, noch bevor ich den Kaffee aufgesetzt habe, weil ich mich die ganze Nacht lang drauf freue wie ein Kind auf Weihnachten. Manchmal will mein Mann das Badezimmer putzen, aber dann reiße ich ihm sofort die Huder aus der Hand und beanspruche das Vergnügen für mich, wäre ja noch schöner, wenn man sich nur die Rosinen raussucht. Putzen gibt mir inneren Frieden, es macht mich zu einem besseren Menschen. Könnte ich nicht putzen, wäre mein Leben leer, daher bin ich dankbar, dass mir die Putzanlässe nie ausgehen. NIE. Niemals nie. Kaum ist geputzt und aufgeräumt, weht von irgendwo ein Staubwudel her, wird die nächste Legokiste ausgeleert. Ist das nicht wunderbar?

Nein, natürlich ist es nicht wunderbar, und ich habe auch nicht zu viel WC-Reiniger geschnüffelt, dass mir solch groteske Lobeshymnen entfahren: Es ist lediglich der verzweifelte Versuch, sich eine Sache schönzureden, der man nicht entkommen kann, wenn man doch einen gewissen Wert auf eine Grundsauberkeit und -ordnung legt. Eine*r muss den Job halt machen, und meistens, jawoll, ist es die Frau im Haushalt. Der Mann wäre viel begabter dazu, finde ich, aber der ist die meiste Zeit außer Haus, die Kinder sind (noch) zu klein, um diesbezüglich sinnvoll eingespannt zu werden und bewirken mit ihren beherzten Hilfestellungen nur noch das größere Chaos, auch die Katze achtet nur bei der eigenen Körperpflege auf penible Reinlichkeit und hinterlässt unbekümmert zusätzliche Dreck-Baustellen. Was bleibt einem da, als das Beste aus dem Unausweichlichen zu machen? Wenn dir das Leben Zitronen gibt, mach Zitronenreiniger daraus, oder so ähnlich.

Also versuche ich, mir das Ganze als tolles Fitnessprogramm zu verkaufen: Po durchstrecken beim Abstauben, Kniebeugen beim Wäsche zusammenlegen, Bizeps anspannen beim Fensterputzen. Saubere Wohnung und freshe Figur, was für eine Win-win-Situation, denke ich. Bis ich merke, dass ich mir da eine ziemlich einseitige Knackigkeit antrainiere (als Rechtshänderin wird dann halt nur der rechte Oberarm gestählt) und das Ganze dann noch mehr Zeit in Anspruch nimmt, weil Verschnaufpausen nötig werden. Außerdem leidet die Würde, das muss ich ganz klar sagen. Deshalb, neue Strategie: Einfach die mentale Auszeit für unglaublich kluge und tiefsinnige Gedankengänge nutzen, die meisten Tätigkeiten im Haushalt erfordern ja einen überschaubaren kognitiven Einsatz – dachte ich. Beim Wäsche-sortieren die nächste Kolumne im Geiste schreiben, beim Kochen darüber sinnieren, wieviel wertvolle Lebenszeit eigentlich mit dem ständigen Versuch des Wiederherstellens eines Zustandes, der utopisch, weil nie von Dauer ist, verplempert wird, beim Tisch-decken feststellen, dass all die berühmten Philosophen, Künstler, Erfinder, Wissenschaftler usw. nur deshalb ebensolche werden konnten, weil jemand anderes diesen Haushalts-Kram für sie übernommen hat. Funktioniert prächtig – bis der Mann fragt, was die Kinderunterhosen in seiner Schublade machen, man feststellt, dass man die Bolognese ohne Faschiertes gekocht hat, der Schrei: „Mama wieso kriag i kuan Leffl??“ ertönt. Es ist ein Mythos, dass Hausarbeit kopflos ist: Es braucht ihn grad so viel, dass man sich auf die Tätigkeit konzentrieren, aber doch intellektuell maßlos unterfordert ist.

Da bleibt nur eines: Frauen, wir müssen vermehrt in die Wissenschaft. Wieso können wir ins Weltall fliegen, Atome spalten, Tiere klonen, aber das Klo müssen wir immer noch selbst putzen? Wieso schreibt ChatGPT Romane und wir saugen den Dreck unterm Sofa raus, wenn es eigentlich umgekehrt sein sollte? Das kann nur daran liegen, dass die selbstreinigende Wohnung und der Haushaltsroboter bislang noch nicht als die Priorität behandelt wurden, die sie eigentlich sein sollten. Lasst leidgeprüfte Frauen an die Hebel, und wir hätten endlich Zeit, die Welt zu verändern, statt zum x-ten Mal die Fensterbank abzustauben.

Barrierefreie Mobilität

Lust auf ein funktionierendes und inklusives Mobilitätssystem

// Heidi Ulm //
Barrierefreie Mobilität ist ein Grundrecht und entscheidend für eine inklusive Gesellschaft. Trotz vieler Versprechungen schaut die Situation in Südtirol düster aus. Wo liegen die Probleme und wo die Lösungen?
© Jakub Pabis - unsplash
Seit zweieinhalb Jahren beschäftigt mich das Euregioticket Students. Dieses Ticket ermöglicht Studierenden, die eine Universität in der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino besuchen, die öffentlichen Verkehrsmittel in allen drei Ländern flexibel zu nutzen. Klingt doch nach einer tollen Initiative, wäre da nicht die Ungleichbehandlung von Studierenden mit Behinderung.

Die Jahresgebühr für das Euregioticket beträgt 341,50 Euro. Inhaber*innen eines abo+, das 150 Euro kostet, können diesen Betrag vom Euregioticketpreis abziehen und zahlen am Ende nur mehr 191,50 Euro. Für Menschen mit Behinderung gibt es in Südtirol das kostenlose abo+ free, (was eine wirklich gute und herausragende Mobilitätsleistung ist und es in dieser Form innerhalb der Europaregion nur in Südtirol gibt.) Obwohl abo+ und abo+ free dieselbe Funktion haben, ist es für für Studierende mit Behinderung nicht möglich, das Euregioticket zu einem reduzierten Preis zu erhalten. Die Thematik ist den zuständigen Verantwortlichen von Beginn an wohlbekannt und sollte bei einem Euregio-Treffen besprochen werden, da nicht alle drei Regionen einer Änderung positiv zugestimmt sind. Die x-te und jüngste E-Mail der Volksanwaltschaft in dieser Sache wurde Anfang April versandt – ohne konkrete Antwort. Es entsteht dadurch das Gefühl, dass dieses kleine und eigentlich leicht lösbare Problem nicht gelöst werden möchte. Leicht lösbar, weil ein reduziertes Ticket für Studierende mit Behinderung doch für alle eine vorteilhafte PR-Meldung wäre und im Grunde keine wirklichen Mindereinnahmen bedeutet, da die meisten mobilitätseingeschränkten Menschen ohnehin das Privatfahrzeug nehmen müssen, weil die öffentlichen Verkehrsmittel nicht barrierefrei sind.
Das Euregioticket gilt übrigens bis zum Alter von 27 Jahren, jetzt bin ich 25. Mal schauen, ob ich es vielleicht in den nächsten zwei Jahren noch zu einem fairen Preis erwerben kann.

Vielfältige Barrieren
Weitaus tragischer als unfaire Preisregulationen ist aber die fehlende oder geringe Barrierefreiheit in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Der Preis ist zweitrangig, wenn es überhaupt nicht die Möglichkeit gibt die Öffis zu nutzen. Die Probleme sind zuhauf und nicht nur architektonischer Natur. Bei den Zügen sind es vor allem die unterschiedlichen Niveaus von Bahnsteig und Zug, die ein Aus- und Einsteigen behindern oder nur mit einem komplizierten Assistenzdienst (Sala Blu von Trenitalia) organisieren lassen. Ein Umstieg an der Brennergrenze ist mit Rollstuhl schier unmöglich – und das im Jahr 2024.

Bei den Bussen funktionieren oft die Rampen nicht, Busfahrer*innen sind teils ungeschult und vielerorts fehlen die audiovisuellen Hinweise der Haltestellen oder diese sind zeitversetzt. Letzteres ist für Menschen mit einer Sinnesbehinderung und Tourist*innen (das Argument, das in Südtirol immer zieht) ein seit über einem Jahr anhaltendes Problem. Der Grund sei die Umstellung auf ein neues System, doch wie lange soll das noch dauern? Viele Betroffene haben keine Lust mehr abzuwarten und verzichten auf die Öffis. Das ist zwar verständlich – eigentlich aber sehr schade.

Ein Blick hinter die Kulissen des Schülertransports
Nicht nur im öffentlichen Verkehr gibt es viele Stolpersteine für Menschen mit Behinderung, auch im Schülertransport hackt es. Ende April erreichte die Situation mit dem Ausschreibungschaos seinen Höhepunkt. Doch wo liegt der Ursprung aller Übel? 2018 wurde dem Transportunternehmen Tundo Vincenzo Spa aufgrund von unzufriedenstellenden Fahrten der Transportvertrag gekündigt. Daraufhin gewann die Arbeitsgemeinschaft für Behinderte (AFB, seit 2022: Adlatus) zusammen mit der Easy Mobil GmbH die Ausschreibung und übernahm den Transport von 2019 bis Ende April 2024. Die erneute Ausschreibungsvergabe gewann das Trentiner Busunternehmen Alpinbus – und damit beginnen die Probleme: Die Busse tauchen seitdem gar nicht oder verspätet auf, der oder die Fahrer*in spricht nur italienisch und die Fahrten ziehen sich wegen Umwegen in die Länge. Für die 288 betroffenen Kinder, Jugendliche und deren Eltern ist das eine erhebliche Belastung. Besonders die Mütter sind es, die die Organisation und Pflege von Kindern mit Behinderung übernehmen und nun – neben anderen zig Aufgaben – auch noch mit dieser Erschwernis konfrontiert sind. Wenn es nach dem holprigen Start anscheinend mittlerweile zwar besser läuft, so wird die Zukunft zeigen, wie es weitergeht. Bis zum Schulende ist es ja nicht mehr lange.

Co-Projektierung als Alternative
Das wirklich Bizarre an dieser Situation: Sie wäre durch eine rechtzeitige Planung und mithilfe einer alternativen Vergabemöglichkeit, der Co-Projektierung, vermeidbar gewesen. Bei der Co-Projektierung arbeiten die öffentliche Verwaltung und die Organisationen des Dritten Sektors gemeinsam an der Entwicklung von Diensten für die Gemeinschaft. Anstatt das Thema Transport dem freien Markt zu überlassen und mittels europäischer Ausschreibung zu organisieren, wird hierbei auf eine bedürfnisorientierte Projektausarbeitung gesetzt. Wer auch immer hier geschlafen hat, für die Betroffenen ist es nur schwer nachvollziehbar.

Ich, als Selbstbetroffene, hoffe jedenfalls, dass keinem Menschen mit Behinderung mehr angst und bange werden muss, wenn er an eine Reise mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in Südtirol denkt. Und das innerhalb dieser Legislaturperiode, ansonsten verliert die öffentliche Mobilität ihr Ansehen komplett.
Nur 3 Prozent der Behinderungen sind angeboren, die restlichen werden im Laufe des Lebens durch Unfall oder Krankheit verursacht. Barrierefreiheit kommt auch Menschen ohne Behinderung zugute, die mit Rollator, Fahrrad, Kinderwagen oder schwerem Gepäck unterwegs sind. Deshalb kann jede*r potenziell irgendwann einmal von einer barrierefreien Mobilität profitieren.