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Mädchen, Frau etc.

// Hannah Lechner //
Roman von Bernardine Evaristo
In „Mädchen, Frau etc.“ erzählt Bernardine Evaristo die Geschichten vier schwarzer Frauen über ein Jahr­hundert hinweg und verwebt diese „zu einem einzigartigen und vielstimmigen Panorama unserer Zeit.“ Es geht um die Theatermacherin Amma, die kurz vor dem großen Durchbruch in London steht und sich mit ihrer Identität als schwarze Lesbe auseinandersetzt. Es geht um Ammas gute Freundin Shirley, die nach jahrelangem Arbeiten an unterfinanzierten Londoner Schulen ausgebrannt ist. Es geht um Carole, Shirleys ehemalige Schülerin, die ihrer Lehrerin viel zu verdanken hat und inzwischen erfolgreiche Investmentbankerin ist. Und es geht um Bummi, Caroles Mutter, die in armen Verhältnissen in Nigeria aufgewachsen ist, eine Reinigungsfirma gegründet hat, um auf eigenen Füßen zu stehen, und ihrer Tochter aus gutem Grund einen englischen Vornamen gegeben hat. Für ihren Roman wurde Evaristo 2019 als erste schwarze Schriftstellerin mit dem Booker Prize ausgezeichnet.

Role Models | Der ëres-Fragebogen

AliPaloma

// Kathinka Enderle //
Künstlerin in Bozen, öffnet mit ihren Werken (siehe Titelbild) die Grenzen des Konventionellen. Ihre feministische Kunst trägt eine tiefgreifende Reflexion über Geschlechterrollen und gesellschaftliche Ungleichheiten in sich. Als Mit-Schöpferin der „SUSI - Südtirols Sisters“ Gruppe für Frauen ist sie auch Wegbereiterin sozialer Veränderungen.
© Elisa Capellari
Biografie:
AliPaloma wurde 1992 geboren und arbeitet als Multimediakünstlerin in Bozen. Sie erweitert mit ihrer feministischen Kunst die Horizonte der Gesellschaft. Ihre Werke – Skulpturen, Installationen und Fotografien – reflektieren tiefgreifende Themen über Geschlechterrollen und soziale Ungleichheiten. Als Reaktion auf die Tabuisierung des weiblichen Geschlechts entwirft sie 2016 das Schmuckprojekt „thevulvaproject“.

Nach ihrem Bachelorstudium der Architektur an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck wird sie 2017 Mitglied des Südtiroler Künstlerbundes. Von Ausstellungen in renommierten Galerien bis hin zu urbanen Interventionen und Bühnenbildern bewegt sich ihre Kunst an der Schnittstelle zwischen Kunst und Architektur.

Als Mitbegründerin von „SUSI - Südtirols Sisters“ (2019) bietet sie einen geschützten Raum für den Austausch von Frauen* und erweitert die Perspektiven auf vielfältige Weise. Ihre künstlerische Exzellenz wurde durch Auszeichnungen wie den Förderpreis der Raiffeisen Landesbank Bozen (2018) und den Gewinn des Kunstwettbewerbs der Plose SKI AG/SKB Kunstwettbewerb (2022) gewürdigt. Mit ihren Werken, vertreten in bedeutenden lokalen Sammlungen und als Mitbegründerin des Vereins AMA, der kulturelle Veranstaltungen organisiert, prägt sie die Kunstszene nachhaltig.


Wie definierst Du Feminismus?
Feminismus ist eine gesellschaftspolitische Bewegung, die sich für die Gleichstellung ALLER Geschlechter einsetzt. Ziel ist es, Frauen und anderen marginalisierten Geschlechtern gleiche Rechte, Chancen und Repräsentation zu verschaffen und mit traditionellen Geschlechterrollen und Stereotypen zu brechen. Im Zentrum steht der gemeinsame Kampf gegen das Patriarchat bzw. gegen patriarchale Strukturen. Darunter versteht man eine Gesellschaftsordnung, in der Männer eine bevorzugte Stellung einnehmen und mehr Macht und Privilegien in Staat und Familie besitzen.
Es geht nicht darum, die Macht der Männer gegen die Macht der Frauen auszutauschen, sondern um eine gerechte Verteilung von Macht, Geld, Chancen und Selbstbestimmung unabhängig vom Geschlecht. Dabei darf nicht vergessen werden, dass Menschen nicht nur aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert werden, sondern auch aufgrund anderer Identitätsmerkmale wie sexuelle Orientierung, race, Religion, Hautfarbe, soziale Klasse, ability etc. Es gibt nicht DIE Frau mit einer universellen Perspektive, da Menschen, denen das weibliche Geschlecht zugeschrieben wird, keine einheitlichen Erfahrungen machen. Heterosexuelle, weiße, lesbische, schwarze, transsexuelle, arme Frauen - sie alle werden auf unterschiedliche Weise diskriminiert. Von einer gleichberechtigten Welt sind wir noch weit entfernt.


Wie gehst Du persönlich mit Vorurteilen oder Stereotypen um, denen Frauen begegnen?
Ich finde es wichtig, sich bewusst zu machen und zu reflektieren, wie unterschwellig Geschlechterstereotype sein können und dass niemand wirklich frei von Vorurteilen ist. Dennoch versuche ich immer wieder, Zustände kritisch zu hinterfragen und in der Interaktion mit anderen für inklusive Werte und Vorstellungen einzutreten. Widersprechen ist wohl das Wichtigste, was jeder Einzelne tun kann, wenn es um Vorurteile und Stereotype geht. Wenn jemand in meinem Umfeld andere Menschen oder auch mich persönlich verletzt oder ganze Gruppen beleidigt, dann spreche ich das an und suche das Gespräch, indem ich noch einmal nachfrage, was genau er oder sie damit meint. Ich denke, meistens macht es schon etwas mit den Gesprächspartner:innen. Mir persönlich hilft es auch sehr, mich mit anderen Frauen über erlebte Situationen auszutauschen und sie nach Tipps und Tricks zu fragen, was ihre Wunderwaffe gegen Sexismus im Alltag ist.


Welche Rolle spielt Feminismus in Deinem künstlerischen Schaffen?
Durch meine künstlerische Arbeit möchte ich nicht nur ästhetisch ansprechende Werke schaffen, sondern auch gesellschaftliche und politische Themen reflektieren und zum Nachdenken anregen. Viele der Kunstwerke reflektieren ein persönliches Erlebnis oder sind Reaktion auf eine gesellschaftspolitische Situation. Für mich sind die Verbindung von Politik und Ästhetik sowie Form und Material entscheidend, um eine ganzheitliche Botschaft zu vermitteln.


Hast du in deinem Beruf Benachteiligung erlebt, weil du eine Frau bist?
Ja, oft unterschwelliger, oft evidenter; aber ich möchte diesen Momenten keine Bühne bieten.


Was war die Inspiration hinter der Gründung des „thevulvaproject“?
Das Schmuckprojekt „thevulvaproject“ entstand 2016 einerseits als Reaktion auf die Tabuisierung der Vulva und andererseits als Ablehnung einer ästhetischen Idealvorstellung der Vulva. Inspiriert wurde es unter anderem durch den Dokumentarfilm „the perfect vagina“ von Lisa Rogers und Heather Leach aus dem Jahr 2008, der die kosmetische Chirurgie der Vulva als Modetrend vor allem aus der Perspektive der betroffenen Frauen thematisiert. Im Nachhinein vielleicht auch von Georgia O'Keeffes vulvaförmigen Blumen in ihren wunderbaren Malereien.


Gibt es eine Künstlerin, die Dich sehr beeindruckt?
Ja, da gibt es viele! Ich mag die Feministische Avantgarde, mit VALIE EXPORT, Renate Bertlmann, Birgit Jürgenssen, aber auch Simone Leigh oder Mercedes Azpilicueta und Marguerite Humeau find ich super ästhetisch und ansprechend.
Aber auch spannende Südtiroler Künstlerinnen wie Ingrid Hora, Julia Frank und Wilma Kammerer beeindrucken mich!
AliPaloma aktuell:
Gruppenausstellung Renaissance, Museion 23.03.–01.09.2024, kuratiert von Leonie Radine.