Literarische Frauenstimmen
Unschuld und Sühne
// Bettina Conci //
Alexandra Fössinger schreibt, seit sie lesen kann. Die gebürtige Klausnerin hat mit „Contrapasso“ im November 2022 ihren ersten Gedichtband veröffentlicht – auf Englisch. Beruflich im Agenturleben beheimatet, hat die Kreativdirektorin einer bekannten Südtiroler Werbeagentur ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland. Mit ihrer neunjährigen Tochter lebt sie in Kiel.

Es geht um Vieles im Erstling der Klausnerin: Liebe, Strafe, Fremdes, Vertrautes, Eingesperrt-Sein, Freiheit. Und um Vögel.© Alexandra Fössinger / Cephalopress
Ihr Lieblingstier ist der Oktopus. Drei Herzen, nachwachsende Tentakel, Anpassungsfähigkeit, Geschick, Anmut, emotionale Intelligenz und eine gewisse Hartnäckigkeit, mit der sich das Tier irgendwo festsaugt und nicht mehr loslässt. So erschien es der Lyrikerin natürlich als gutes Omen, dass ausgerechnet der kleine britische Independentverlag Cephalopress Interesse an ihren Gedichten bekundete.
Die Sammlung entstand in einem Zeitraum, der sich mit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie und den darauffolgenden Lockdowns deckte. Thematisch zusammenhängend und in einer früheren Version den Titel „Luckdown“ tragend, ist der Leitgedanke des Eingesperrt-Seins, sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinn.
Nun lese ich ja fast nie Lyrik. Zu anspruchsvoll, zu anstrengend, zu wenig Wörter, zu viel Metaebene. Aber es gibt Gedichte, die liest man, und die packen eine*n bei den Eingeweiden. Alexandra Fössinger gibt der Leserin das Gefühl, live dabei zu sein, während sie ihre innerste Gefühlswelt bis auf die Knochen entblößt. Dabei ist die Frage, wie viel davon wirklich ihrem Erlebten und wie viel ihrer Fantasie entsprungen ist, überhaupt nicht wichtig.
Das Buch lässt die Leser*innen staunend, nachdenklich, melancholisch und ein bisschen deprimiert zurück. Aber auf eine gewisse Weise – wie soll ich sagen? – auch schön deprimiert.
Die Sammlung entstand in einem Zeitraum, der sich mit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie und den darauffolgenden Lockdowns deckte. Thematisch zusammenhängend und in einer früheren Version den Titel „Luckdown“ tragend, ist der Leitgedanke des Eingesperrt-Seins, sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinn.
Eingesperrt, als die ganze Welt eingesperrt war
Der Covid-Bezug fiel recht früh weg, weil – wie die Autorin nüchtern konstatiert – „kein Verleger wollte mehr etwas zu diesem Thema hören. Im Nachhinein finde ich es etwas schade, weil es vielleicht irgendwann recht aufschlussreich ist, unter diesem Gesichtspunkt auf diese Zeit und das Geschriebene zurückzublicken.“Nun lese ich ja fast nie Lyrik. Zu anspruchsvoll, zu anstrengend, zu wenig Wörter, zu viel Metaebene. Aber es gibt Gedichte, die liest man, und die packen eine*n bei den Eingeweiden. Alexandra Fössinger gibt der Leserin das Gefühl, live dabei zu sein, während sie ihre innerste Gefühlswelt bis auf die Knochen entblößt. Dabei ist die Frage, wie viel davon wirklich ihrem Erlebten und wie viel ihrer Fantasie entsprungen ist, überhaupt nicht wichtig.
Dante als Namensgeber
Dieses Gefühl des Gefangenseins während der Pandemie, verbunden mit den schmerzlichen und sehr persönlichen Erfahrungen, die Alexandra Fössinger in jener Zeit machte, inspirierte sie und lieferte ihr das Leitmotiv, Dantes Inferno, den heutigen Titel der Gedichtsammlung. Contrapasso ist ehrlich, roh, mutig und von einer eigentümlichen sprachlichen Schönheit, die wahrscheinlich daher rührt, dass die Autorin eben nicht in ihrer Muttersprache schreibt. Die Gedichte schrieb sie nämlich an ihren damaligen Partner, der in dem Zeitraum einige Monate lang unschuldig im Gefängnis saß – und mit dem sie auf Englisch kommunizierte. So halfen sie ihnen, in dieser Zeit nicht durchzudrehen und dieses Eingesperrt-Sein zu einem Zeitpunkt, als die ganze Welt eingesperrt war, zu überstehen.Das Buch lässt die Leser*innen staunend, nachdenklich, melancholisch und ein bisschen deprimiert zurück. Aber auf eine gewisse Weise – wie soll ich sagen? – auch schön deprimiert.

Englisch schafft eine gewisse Distanz, die ich brauche, um Lyrik schreiben zu können,“ sagt Alexandra Fössinger. © Alexandra Fössinger