Think

„Und wie sieht es mit der Familien-planung aus?“

// Bettina Conci //
Bewerbungsgespräche sind leider immer noch ein Spießrutenlauf für uns Frauen. Fragen, die unangebracht, unanständig oder gar nicht erlaubt sind, bringen uns regelmäßig in Verlegenheit. Dabei sind es unsere – meist, aber leider nicht immer männlichen – Gegenüber, die rot werden sollten ob ihrer Unverschämtheit.
Der Weg nach oben ist oft gepflastert mit allzu persönlichen Fragen – bereits vor Arbeitsantritt. © Charles Deluvio / Unsplash
Überlegen auftreten, aber nicht zu sehr. Lächeln, dabei aber professionell wirken. Gut angezogen sein, aber nicht zu steif, offenherzig, altbacken oder gar männlich wirken. Sich trauen, den Mund aufzumachen, aber nicht zu viel reden. Ratschläge für Frauen in punkto Bewerbungsgespräch klingen oft etwas schizophren. Dabei sind es eher die Arbeitgeber, die allmählich im neuen Jahrtausend ankommen und sich über die Fragen, die sie uns stellen, Gedanken machen sollten.

Meinen ersten Job bekam ich, wie ich einige Monate nach meiner Einstellung erfuhr, weil ich beim Bewerbungsgespräch einen kurzen Rock getragen hatte. Mein neunzehnjähriges Ich nahm es schulterzuckend zur Kenntnis, wie sollte ich ahnen, dass das nur der Anfang einer Reihe unglaublicher Kommentare sein sollte, die ich mir in den darauffolgenden zwanzig Jahren anhören musste.

Die Frage nach einem eventuellen Kinderwunsch ist dabei fast schon ein Running Gag. Laut meiner persönlichen Statistik ist es wohl die am häufigsten gestellte Frage, und das über einen Zeitraum von zwanzig Jahren. Abwandlungen davon reichen vom vorsichtigen Herantasten an den Familienstand bis hin zu als Kompliment getarnten Unverschämtheiten („Sie sind ja noch im besten Alter!“).
Verunsichern, kleinmachen, herabwürdigen
Unvergessen der Chef einer Arbeitsvermittlungsagentur, der behauptete, es sei das gute Recht seines Kunden zu erfahren, ob ich einen festen Partner habe und damit dem Risiko einer Schwangerschaft ausgesetzt sei. Oder die Frage eines Managers, ob mein Liebesleben auch so bunt sei wie mein Lebenslauf.

Den Vogel schoss der Personalleiter ab, der mich in der Ferragostowoche zu einem Bewerbungsgespräch in die halbleere Firma zitierte, mich bei halb zugezogenen Jalousien in seinem Büro eine Viertelstunde lang Spanisch sprechen ließ, mir mit den Worten „Ich verstehe ja sowieso kein Wort“ ins Gesicht lachte und sich dann deutlich interessierter nach meinen sportlichen Interessen erkundigte, während mich seine Schweinsäuglein von oben bis unten scannten. Ich verabschiedete mich und hatte am nächsten Tag die vom Praktikanten als Standardmail verfasste Absage im Posteingang.
All diese Fragen und Kommentare zielen darauf ab, uns Frauen zu verunsichern, uns klein zu machen, bevor wir den Dienst überhaupt aufnehmen, schlicht: uns herabzuwürdigen. Und oft kann da kein Rat, sondern nur der Gesetzgeber helfen. Diskriminierende Fragen jedweder Art sind in Italien nämlich verboten. Das sind Fragen nach Familienstand, sexueller Orientierung, Herkunft, Religion, Parteizugehörigkeit, psychischer und physischer Gesundheit.

Mein zweiter Job war übrigens eine Anstellung als Ragazza immagine, eine Berufsbezeichnung, die es nur in Italien gibt und, wie der Name schon sagt, dem äußeren Erscheinungsbild eine ziemliche Bedeutung einräumt. Weder beim Bewerbungsgespräch noch während meiner Arbeit (die ganz unglamourös aus Kellnern und Flyer-Verteilen bestand) fiel auch nur ein sexistischer Spruch.

Think

Schlager und Sexismus

// Bettina Conci //
Die Tage werden kürzer und der misogyne Partyknaller „Layla“ rutscht kontinuierlich die Schlagercharts hinunter, bevor der nächste Mitgrölhit um die Ecke kommt (Weihnachten naht, vielleicht was mit Glocken). Um das Frauenbild in der Schlager- und Volksmusikwelt ist es nicht allzu gut bestellt, und das nicht erst, seit das deutsche Trash-Schlager-Sternchen Melanie Müller auf einem Konzert Ende September wiederholt den Hitlergruß zeigte.
Unser Musikgeschmack wird auch vom Text beeinflusst. Bei volkstümlicher Musik ist der oft kein Kaufargument. © Jamakassi/Unsplash
Meinte Andrea Berg im Bunte-„Starprofil“ noch recht antifeministisch „Als Frau über 40 muss man sich anstrengen, damit die Männer einem hinterher gucken“, bemühen sich andere Damen der Schlager- und Volksmusikszene, das dortige Frauenbild zu entstauben und um einige Facetten anzureichern. So besingt Helene Fischer in ihrem Song „Die erste deiner Art“ die vielzitierte Frauensolidarität, Michelle macht Frauen Mut, anders zu sein und dazu zu stehen, und Nicole trällert ihren ESC-Siegersong von vor vierzig Jahren, „Ein bisschen Frieden“, jetzt auch auf Russisch, um, wie sie sagt, „eine Botschaft an Herrn Putin zu senden.“ Aber ist das im Jahr 2022 auch genug?

Die Schlager-/Volksmusikecke ist eine ganz eigene Welt, mit eigenen Fans, Spielregeln und recht simpel anmutenden Erfolgsrezepten. Das Frauenbild in den Liedern ist je nach Interpret*in entweder bieder-romantisch-unschuldig (oder passiv-aggressiv, siehe unten) wie bei den Kastelruther Spatzen oder luderhaft-machomäßig-offenherzig bei diversen Partyschlagern und Mallorca-Hymnen. Auch werden Frauen sowohl in den Songtexten als auch ganz real – teilweise auch ganz bewusst – objektifiziert bzw. in ein Rollenklischee gedrängt, das eigentlich überholt ist.

Mädchen der Straße, was konnt‘ ich erwarten?
Die größte Enttäuschung des Lebens warst du!
Ich wollte Liebe kaufen, doch du gabst sie mir nicht,
du hast mich nur belogen mit lachendem Gesicht.
„Mädchen der Straße“, Kastelruther Spatzen (1989)
Ich ging in den Laden und schon stand sie da
Geile Figur, blondes Haar
Er hat 'nen Puff und seine Puffmama heißt Layla
Sie ist schöner, jünger, geiler…
„Layla“, DJ Robin x Schürze (2022)
Ganz unbemerkt bleibt Sexismus natürlich nicht: Das deutsche Volkslied „Einst ging ich am Ufer der Donau entlang“, auch Donaulied genannt, stammt aus dem Jahr 1894 und erzählt davon, wie ein Mädchen im Schlaf vergewaltigt wird. Lobend zu erwähnen ist hier Mickie Krause, der seine 2012 erschienene Partyversion des Liedes entschärfte und aus dem Verbrechen einvernehmlichen Geschlechtsverkehr machte. Trotzdem blieb die Originalversion eines der meistgesungenen „Wiesn-Hits“ auf traditionellen Bier- und Zeltfesten im süddeutschen Raum, was bis heute für hitzige Diskussionen sorgt.

Durch die mediale Aufmerksamkeit dürften sich mittlerweile wohl die meisten unwohl fühlen, das Donaulied in seiner originalen Textversion anzustimmen. Es bleiben jedoch genügend andere problematische Liedtexte wie zum Beispiel das ironische (?) „Außer mit die Depf“ der Tiroler Schlagersängerin Hannah, deren Video, in dem ungeschickt mit Töpfen und Nudeln hantiert wird, wahrlich keine Sternstunde des Feminismus darstellt, oder auch, und das soll nicht unerwähnt bleiben, zahlreiche Songtexte aus anderen Genres.
Totschlagargument Hip-hop
Alle Whataboutism-Fans, die jetzt aufschreien „Aber Rap- und Rockmusik…!“ sollten bedenken, dass Schlagerlieder, Volksmusik- und volkstümliche Popsongs oft einen anderen Kontext haben und auf Festen, am Ballermann, beim Aprés-Ski oder Karneval und anderen bierseligen Zusammenkünften gesungen werden, wo eine aufgeheizte Stimmung herrscht und sich daher andere Dynamiken entwickeln als beim Hören zuhause (wo man sich eher nicht die „Ballermann-Hits XVI“ reinzieht).
Wobei es auch am Ballermann nicht immer kontrovers zugeht, wie der neu aufgelegte, harmlos-romantische Flippers-Hit „Wir sagen Dankeschön“ in diesem Sommer zeigte. Und auch weibliche Popschlagerstars wie Helene Fischer, Vanessa Mai, Michelle oder Beatrice Egli reden mittlerweile ein feministisches Wörtchen bei ihren Lyrics mit, in denen es statt um Blumen und Berge immer häufiger um Selbstbestimmung, Selbstakzeptanz und Toleranz geht.

„Denn du bist der Held in deiner Welt
Und du bestimmst, durch welche Tür du jetzt gehst
Sag nicht sorry, das ist deine Story
Lass dir nicht erzählen, wie du dein eigenes
Leben lebst“
„Anders ist gut“ (2020), Michelle