Noch bevor das offizielle Gespräch beginnt, sind Marianne Steinhauser, Luisa Gnecchi, Ulrike Oberhammer und Nadia Mazzardis mittendrin in der Diskussion, warum Information so wichtig ist, wieso ohne Herzblut nichts weitergeht und welche Steine Politik und Verwaltung der Chancengleichheit in den Weg legten und legen.
Diese eres-Ausgabe steht unter dem Thema „Achtsamkeit – consapevoli“. Was bedeutet dieser Begriff für Sie, Frau Steinhauser, im Zusammenhang mit 35 Jahren Landesbeirat für Chancengleichheit für Frauen?
Marianne Steinhauser
Achtsamkeit bedeutet für mich ungefähr dasselbe wie Toleranz, Behutsamkeit im Umgang mit Mensch und Tier - vor allem mit den Menschen und in meinem Beruf mit den Kindern und den jungen Leuten. Vor 35 Jahren da war es am Land überhaupt nicht üblich, dass Mädchen nach der Mittelschule weiterlernen. Diese wurden als Mädchen für alles eingesetzt. Das habe ich nicht vertragen. Es ist dann gelungen, dass mehr Mädchen Schulen besucht, eine Ausbildung gemacht und einen Beruf erlernt haben. Heute ist doch einiges erreicht. Nicht alles durch den Beirat, manches auch durch die gesellschaftliche Entwicklung. Ohne Information aber kann man es nicht richtig oder falsch machen. Es braucht Information als erstes, und da waren wir uns einig.
Waren das Ihre ersten Schritte als Landesbeirat für Chancengleichheit?
Luisa Gnecchi
Mi sono trovata benissimo con Marianne, perché condividevo la sua impostazione: fare cose concrete. In una provincia come la nostra, dove tutto veniva tradotto, le uniche cose non tradotte erano le leggi a tutela della maternità, la legge sul divorzio, ovvero le leggi davvero conquistate dalle donne. Quindi, il primo lavoro su cui ci siamo trovate immediatamente d’accordo è stato: “Facciamo degli opuscoli sui diritti delle donne”. Sentimmo la necessità di tradurre queste leggi. E non le ha tradotte l’ufficio traduzioni della Provincia, ma è stato tutto lavoro nostro, di volontariato. Poi abbiamo conquistato un risultato importante: in Italia siamo l’unica provincia con una consigliera di parità a tempo pieno e con un’indennità equivalente a quella di direttrice d’ufficio. Quando andai dal Presidente Durnwalder per chiedere iniziative contro le dimissioni volontarie delle donne, mi disse: “Se avessi saputo che mi avresti creato così tanti guai, non avrei mai accettato la tua nomina come consigliera di parità”.
Steinhauser
Aber ich glaube wir sind am Widerstand gewachsen.
Gnecchi
Certo!
Wie ist es zur Erkenntnis gekommen, dass es einen Landesbeirat für Chancengleichheit braucht?
Gnecchi
Perché è stata una conquista. Non ci hanno regalato nulla: né la legge sulla Commissione pari opportunità, né quella sui consultori, né quella sulla Casa delle donne. In questa provincia, quando si crea un grande movimento di donne, alla fine c’è attenzione. La Commissione ha avuto un vantaggio: esisteva una legge nazionale, quindi era difficile difendere la nostra autonomia locale se, su certi aspetti – e in particolare per quanto riguarda le donne – le condizioni risultavano peggiori. L’autonomia, se ha davvero senso e se deve essere apprezzata da tutti e tutte, deve garantire sempre qualcosa di migliore, mai di peggiore. Ma spesso si puntava solo all’immagine: la facciata doveva apparire positiva, anche se la realtà non lo era.
Steinhauser
Die Sprache war immer wahnsinnig positiv, aber die Wirklichkeit…
Mazzardis
Fast wie heute, oder?
Steinhauser
Es hilft im Lande nichts anderes, als dass man nicht lange fragt. Man muss mutig sein und einfach tun. Wir haben uns damals auch irgendwann, weil wir kein Geld hatten, ins Fortbildungsprogramm der Lehrpersonen hinein…, sucht ein schönes Wort aus. Die Fortbildungen waren wirklich sehr gut besucht. Und das waren dann Multiplikatorinnen für die Schulen. Die Menschen werden einfach nicht informiert, und das hat mich am meisten gestört. Auch wenn jemand informiert ist, macht er nicht immer das, was er soll. Aber zumindest wissen, dass… aber da bin ich die Lehrerin, ich weiß schon.
Wie sind Sie denn überhaupt zu diesem Amt gekommen?
Steinhauser
Ich wurde von der SVP vorgeschlagen und gewählt. Ihr habt mich gewählt, ich war ganz überrascht.
Oberhammer
Das Gesetz ist ja vom November 1989, aber die Einsetzung des 1. Beirates war erst im März 1990.
Gnecchi
Hanno scelto l‘8 marzo.
Steinhauser
Wir haben uns vom ersten Tisch und Stuhl und Platz alles erobert. Ach, man kann auch in der Schule unter der Stiege glücklich sein und arbeiten, wenn das Lernen Spaß macht. Und wenn man nichts hat, dann ist man vielleicht kreativer.
Gab es damals Unterschiede zwischen den Frauen, die im städtischen Umfeld gelebt haben und den Frauen am Land?
Steinhauser
Ja! In den Tälern war das Patriarchat so verwurzelt, dass sich auch mit bestem Willen ein Gemeinderat nicht vorstellen konnte, dass eine Frau drinnen wär‘.
Mazzardis
Passiert noch!
Steinhauser
Heute, wenn die Jüngeren zur Schule gehen, wenn man die im Bildungsbereich motivieren kann, dann kommen sie schon und wehren sich. Damals mussten Frauen ganz selbstverständlich Pflegearbeiten, Hausarbeiten und was weiß ich alles übernehmen. Und bei uns dann auch noch den Tourismus.
Oberhammer
Das ist heute schon auch noch so. Und auch in Coronazeiten: Wer ist da schlussendlich zuhause geblieben? Wieder die Frauen. Zu Durnwalder hab‘ ich einige Jahre vorher gesagt, als er wieder Papi geworden ist: Wenn ich ihn mit dem Kinderwagen einmal am Landhausplatz vorbeispazieren sehe, dann kommt er auf die eres-Titelseite. È cambiato il tempo, ma lui non lo avrebbe mai fatto.
Mazzardis
Sono cambiate le donne, ma gli uomini non molto.
Le condizioni per le donne in città erano migliori?
Gnecchi
Sempre tutto relativo. Sicuramente in città c’era maggiore possibilità di lavori qualificati, ma minori possibilità occupazionali. Da assessora al lavoro ho visto che nelle valli il lavoro c’era; in città, invece, c’era più competizione e per anni le aziende hanno preferito assumere uomini, soprattutto nei ruoli qualificati. Culturalmente, pur essendo una provincia delle “3 K” (Kinder, Küche, Kirche), c’era un grande rispetto per la donna che cresceva i figli da sola o che viveva situazioni difficili, non solo economiche. Questa tradizione di donne impegnate – artigiane che tenevano i conti delle aziende di famiglia, spesso senza contributi pagati, o che gestivano alberghi – è sempre esistita. In alcune zone c’era quasi un matriarcato, ma senza un riconoscimento economico: riconosciuto come utilità sociale, ma non ripagato.
Steinhauser
Die Frauen haben schon sehr viel gearbeitet in den Hotels. Aber die Besitzer sind die Männer. Und die haben sich die billigste Versicherung genehmigt.
Gnecchi
Il minimo indispensabile…
Steinhauser
… und heute stehen viele Frauen, die wahnsinnig viel gearbeitet haben, schlechter da, als ihre Töchter, die normal versichert werden. Das ist mit ein Grund für die Altersarmut. In manche Köpfe geht es nicht hinein, dass alle Menschen gleich sind. Oder zumindest gleiche Chancen bekommen.
Gnecchi
Bekommen niente, conquistato molto…
Wie ist es heute, beobachtet ihr auch Diskrepanzen zwischen Stadt und Land?
Oberhammer
Ich glaube, das ist das Riesengefälle: In der Stadt gibt es mehr Möglichkeiten. Und am Land – die Coronazeit war für mich bezeichnend – stehen wir wieder total auf Null. Wir müssen darum kämpfen, unsere erlangten Rechte zu verteidigen. Ich erlebe täglich Frauen, die falsch informiert sind: Gewaltopfer, die ins Haus vom Mann investiert haben. Frauen, die ihr Geld aufbrauchen für Kinder, Lebensmittel und und und… Frauen wären viel unabhängiger, wenn Beziehungen wirklich gleichberechtigt wären. Bei Trennungen kämpfen Männer viel mehr um die Kinder und haben auf einmal Zeit, weil sie sonst mehr zahlen müssten. Und weil sie den Frauen absolut keinen Cent mehr geben wollen als notwendig. Wenn ich aber höre, was vor 35 Jahren passiert ist, das ist fast copia incolla, abbiamo quasi l’identica situazione con la giunta.
Wieso ist es aber so?
Oberhammer
Wahrscheinlich nerven wir zu viel. Natürlich, ein schwacher Beirat tut sich viel schwerer für die anderen zu kämpfen – und viele wenden sich an uns. Aber wir sind ehrenamtlich. Seit der 30-Jahrfeier und der Unterschrift des Landeshauptmannes unter den Gleichstellungsaktionsplan treten wir auf der Stelle. Nadia und ich haben in den vergangenen Wochen die Landesräte und Landesrätinnen abgeklappert, waren bei der Ressortdirektorenkonferenz und in den Ämtern und haben nachgefragt: „Das sind eure Aufgaben in dem Plan, wo steht ihr?“ Mehrere haben aber nicht mal angefangen.
Wie gefährlich ist es, dass dieser Plan ein Papiertiger bleibt?
Oberhammer
Es sind viele, die daran arbeiten: Über 200 Leute haben mitgearbeitet, Organisationen und auch Männer. Es sind immer mehrere Personen, die Verantwortung tragen, aber es braucht jemanden, der die Koordination innehat. Wir hätten einen Mitarbeiter, der über PNRR-Gelder dafür angestellt ist, aber für andere Sachen eingespannt wird. Das kann nicht sein. Und wir haben, seit ich Präsidentin bin, fünf Landesrätinnen und Landesräte gehabt, die für uns zuständig waren. Dieser ständige Wechsel macht schon auch etwas aus.
Qual è stata la Sua motivazione ad accettare questo incarico?
Mazzardis
Non ho vissuto il femminismo degli anni ’70 perché ero troppo giovane, ma negli anni ’80 c’era la convinzione che bastasse lavorare bene per farcela. Anch’io ho fatto carriera fino a diventare dirigente di un settore in una grande manifattura, ma con la maternità ho capito che “essere brava” non basta: è la vera discriminante. Allora non si contemplava che potesse essere mio marito a restare a casa. Mi sono licenziata, poi ho ripreso a lavorare con lui e infine ho fondato un’azienda, con più flessibilità oraria ma pochi guadagni e contributi per la mia pensione. Anche fare impresa da donna era complicato: in banca pretendevano la firma di mio marito per un fido, e la mia pensione sarà la metà della sua, grazie ai buchi contributivi.
Nel 2011, con il bunga-bunga e le “cene eleganti”, mia figlia diciottenne mi chiese: “Che mondo ci lasciate?”. Quelle parole mi spinsero a impegnarmi pubblicamente per le pari opportunità e per la dignità delle donne. A Bolzano abbiamo portato oltre mille persone in piazza con “Se non ora quando?”, dentro un movimento nazionale di un milione di donne. Da lì ho imparato tanto, c’è stato un passaggio generazionale di consapevolezza.
Eppure, il bilancio resta amaro. In quattro generazioni, il destino non è cambiato: mia nonna ha avuto i figli e non ha mai lavorato, mia madre ha smesso con i figli, io ho ripreso ma con fatica, e mia figlia non li fa per non dover sacrificare la carriera. I dati confermano che anche oggi, tranne rare eccezioni il part-time resta soprattutto femminile.
Was braucht es für die Arbeit des Landesbeirates?
Oberhammer
Wir haben ein Gesetz, das ganz klar sagt: Der Landesbeirat erhält ein Budget der Landesregierung nach einem Tätigkeitsprogramm und das Frauenbüro ist Sekretariat des Beirates und organisiert die Sachen. Das heißt: Wir beschließen und wir delegieren. Nicht wir beschließen und wir machen alles selber – und zum Schluss unterschreibt derjenige nicht, der unterschreiben muss. Wir brauchen den politischen Willen, damit Chancengleichheit in Südtirol ernst genommen wird. Der Gleichstellungsaktionsplan ist von der Landesregierung nur zur Kenntnis genommen, nicht beschlossen.
Wäre ja schade, wenn der wirklich in der Schublade landen würde…
Oberhammer
Wenn er nur zur Kenntnis genommen wird, ist er gesetzlich nicht verbindlich. Und es braucht Sanktionen. Es muss das Gesetz eingehalten werden und wir müssen als Beirat ernst genommen werden. Ich trau mich schon zu sagen, dass wir Expertinnen sind und auch kritisch hinschauen. Ich muss aber auch sagen, voi avete avuto in consiglio donne che hanno lottato per questo. Oggi abbiamo anche tante donne in consiglio che dicono: non c’è bisogno, le donne hanno già raggiunto la parità.
Mazzardis
Oggi abbiamo molte donne in Consiglio Provinciale e quindi anche in quello Regionale, ma spesso manca la consapevolezza che la loro presenza è frutto delle battaglie di chi le ha precedute – dalle leggi sulle quote alle campagne “vota donna”. Per questo, come Commissione, non sempre riceviamo il sostegno necessario. Lo si è visto con la legge sulla rappresentanza femminile in Giunta regionale o con l’ultimo caso di una dirigente donna, competente, sostituita da un uomo meno qualificato. Pesa ancora più l’appartenenza partitica di quella di genere, e spesso le donne si rivolgono alla Commissione solo per tutelare un diritto individuale, mentre il valore del collettivo femminile resta in secondo piano. Ed è frustrante.
Spürt ihr Rückhalt in der Bevölkerung?
Oberhammer
Ich glaube, das ist phasenweise: Erstens kommt es auf das Thema drauf an. Dann haben wir natürlich eher die Frauen ab einem gewissen Alter, aber vor allem nach dem ersten Kind. Da sagen viele: Ja, es stimmt. Vorher können sie studieren, ins Ausland gehen, arbeiten – auch in technischen Berufen. Aber nachher wird es schwierig.
Wie geht ihr mit denen um, denen es zu langsam geht?
Oberhammer
Das ist natürlich die Schwierigkeit – auch im Beirat. Mir geht es ja auch viel zu langsam. Ich würde sagen, dass wir beide (Nadia, A.d.R.) zu den ungeduldigen Leuten gehören. Was man aber schon sagen muss, es ist wirklich schwer. Nach 35 Jahren ist der Beirat schon verankert. Aber: Der Beirat könnte einen viel größeren Sprung machen, wenn wir in der Verwaltung und in der Politik mehr Unterstützung hätten.
Zum Abschluss bitten wir noch jede von euch, ihre drei Wünsche für die nächsten zehn Jahre Landesbeirat auf den Punkt zu bringen…
Steinhauser
Ich wünsch mir gleiches Gehalt für gleiche Arbeit. Dann die Bildungsarbeit, die fortgesetzt wird und wo man viel mehr machen muss. Und dann wünsche ich mir noch, dass man in Südtirol auch auf unteren Ebenen mehr Bewusstsein schafft und – wenn es vorhanden ist – dass man dann umsetzt. In kleinen Schritten geht es sowieso, aber dass es zumindest weitergeht.
Gnecchi
Trovo triste che, dopo 35 anni, sembri quasi di tornare alla situazione iniziale. Per i prossimi dieci anni, se vogliamo una nuova politica a favore delle donne, dobbiamo rafforzare la Commissione, perché sia un punto di riferimento. Al di là delle 15 titolari e delle 15 supplenti previste dalla legge, è importante che la Commissione abbia un ruolo reale e sia gratificante per chi ne fa parte. Se le donne all’interno non sono gratificate, è più difficile trovare altre motivate. La responsabilità di far funzionare la Commissione e di garantirne il riconoscimento è collettiva. Se c’è frustrazione, non si cresce.
Oberhammer
Meine drei Wünsche wären: Dass wir überall 50:50 haben, dass der Beirat ausreichend finanzielle und personelle Ressourcen kriegt und so arbeiten kann, wie es die Frauen in Südtirol brauchen und – das ist der Oberwunsch –, dass der Gleichstellungsaktionsplan so schnell wie möglich umgesetzt werden kann.
Mazzardis
Vorrei che il Piano d’Azione per la parità di genere fosse pienamente attuato, così che alla Commissione restasse solo un ruolo testimoniale: “abbiamo già fatto tutto”. Perché ciò accada servono risorse concrete, impegno politico autentico, personale dedicato davvero, compensi e rimborsi adeguati al grande lavoro svolto. Altrimenti resta solo una bella vetrina: “La Commissione c’è”, ma con le mani legate dalle decisioni politiche e amministrative. Oggi le donne devono ancora sacrificare il loro tempo libero per difendere diritti che agli uomini non vengono messi in discussione. Un sistema patriarcale che si nutre di volontariato non sostenuto rischia di logorare le energie, forse proprio come molti auspicano: che smettiamo di lottare.